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Vom Handbuch, das ein Roman werden wollte

Vom Handbuch, das ein Roman werden wollte

11.06.2014 12:30


Das Buch war geboren. Es war noch ganz klein. Der Autor wollte es pflegen und füttern, damit es ein gutes Handbuch werden würde. Aber es kam anders ...






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Als sich das Handbuch bewusst wurde, wie viele kluge Gedanken in ihm steckten, wuchs sein Selbstvertrauen. Was bin ich für ein wichtiges Buch, freute es sich und saugte immer mehr schlaue Sätze und Begriffe auf. Der Autor kam kaum noch hinterher, alles niederzuschreiben, was das Buch forderte.
Es wuchs und wuchs. Und es begann zu träumen. Im Radio, das nebenbei lief, hörte es von Bestsellerlisten. Ja, solch ein begehrtes Buch wollte es auch einmal werden!
Der Autor schrieb und schrieb. Das Buch wurde immer dicker.
Das muss auch sein, dachte das Handbuch. Schließlich sind Bestseller-Romane ja auch selten nur schmalbrüstige Broschüren. Und es nahm weiter das Wissen des Autors in sich auf. Bald waren mehr als tausend engbedruckte Seiten fertig. Der Autor war erschöpft. Er fühlte sich ausgelaugt. Aber er schaffte es noch, ein Inhaltsverzeichnis und ein Fachregister anzulegen. Dann war das Handbuch fertig.
Stolz wölbte es seinen Buchrücken. Ein stattliches Buch war es geworden. Breit und wichtig stand es in den Regalen der Buchläden und Bibliotheken.


Ab und zu blätterte jemand in dem Buch. Doch gekauft oder ausgeliehen wurde es nur selten. Die, die es kauften, begannen darin zu lesen, legten es aber bald wieder zur Seite.
All das Wissen lag brach. Niemand wollte es haben. Enttäuschung machte sich im Handbuch breit. So würde es nie auf die Bestsellerlisten gelangen.

Doch einen Leser gab es, der gut mit dem Handbuch zurechtkam. Er hatte das Buch bereits eine Weile und es sah schon recht zerfledert aus. Zuerst wunderte sich das Buch, dass FoX, so hieß dieser Leser, es immer wieder aus der Hand legte und sich nicht gemütlich in den Lesesessel kuschelte, um es ganz auszulesen. Aber dann bemerkte es den zufriedenen Gesichtsausdruck von FoX jedes Mal, wenn er wieder ein Stückchen im Buch gelesen hatte. Er ging dann an den PC und schrieb eifrig etwas. Das Buch konnte von seinem Platz im Regal aus erkennen, dass auf dem Bildschirm öfter mal kleine Blümchen und erhobene Daumen auftauchten. Dann lächelte FoX.
Und was das Wichtigste war, er kam immer wieder … Und so langsam dämmerte es dem Buch: ein Handbuch IST kein Roman. Es ist zu anderem geboren.

Also ließ es sich aus der Romanabteilung zu den Fachbüchern und dort gleich in die Reihe zu den anderen Handbüchern stellen.

FoX hatte an diesem Abend sein Handbuch auf dem Schreibtisch liegen lassen. So konnte das Buch sehen, was er schrieb:

Beim Lesen von Handbüchern ist es ganz wichtig, mit welcher Erwartungshaltung du herangehst. Es hat wenig Effekt, wenn du ein Handbuch wie einen Roman von Anfang bis Ende durchliest, mit der Hoffnung anschließend eine Software oder eine Programmiersprache zu beherrschen. Suche lieber im Inhaltsverzeichnis oder Register nach dem passenden Thema, wenn du ein Problem oder eine Fragestellung hast. Stellst du beim Lesen fest, dass es Voraussetzungen gibt, die du noch nicht hast, schau, ob du Verweise dazu im Text findest. Dann ist Springen erlaubt. Nimm dir vor, wieder zum Ausgangspunkt deiner Frage zurückzukehren. Akzeptiere aber auch, wenn du völlig unerwartet an ganz anderer Stelle eine Antwort findest und nutze sie.

Viel Erfolg!


2014 © Birgit Luckwaldt

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  • Erstellt von .BiL. In der Kategorie Allgemein am 11.06.2014 12:30:00 Uhr

    zuletzt bearbeitet: 04.11.2014 16:51
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